Ein außergewöhnlicher Bericht in der Facebook-Gruppe Friese Paarden/Friesian Horses zog in der letzten Woche die Aufmerksamkeit auf sich. Fast tausend Leser zeigten an, dass sie gerührt waren durch den Post von Melanie Angelista über ihre Mutter und den Friesenwallach Tjeerd. Ihre Mutter leidet an der Huntington-Krankheit.
2013 erfuhr Thea Bloemendaal, dass sie an dieser gefürchteten Erkrankung des Gehirns leidet. „Wir wussten schon in etwa, was es sein könnte, da mein Opa auch an Huntington gestorben ist“, erzählt Melanie. „Die Symptome bei meiner Mutter begannen dem zu ähneln. Die Krankheit ist erblich, und so musste meine Mutter schon bald einen DNA-Test machen. So wurde es klar, dass sie leider diese Krankheit geerbt hat.“
Huntington
Die Huntington-Krankheit äußert sich beispielsweise in unkontrollierten Bewegungen und motorischen Störungen. Thea bekam und bekommt immer mehr Schwierigkeiten mit ihrer Balance und ihrem Gleichgewicht. Die Prognose ist nicht gut; nach einiger Zeit ist es sogar nicht mehr möglich, zu reden und zu gehen, und Thea weiß, dass sie nicht sehr alt werden wird. Es gibt keine Medizin.
Brav und zuverlässig
Thea: „Obwohl unsere Welt in sich zusammenbrach, als wir die Neuigkeit von den Ärzte zu hören bekamen, beschloss ich, nicht aufzugeben. Pferde und Reiten waren immer meine große Leidenschaft, und wir wurden uns darüber einig, dass wir ein Pferd kaufen würden, sodass ich in Bewegung bleiben konnte.“ Melanie übernimmt das Wort: „Es musste natürlich ein sehr braves und zuverlässiges Pferd sein, und Mama hat eine Schwäche für Friesen. Sie haben so viel Ausstrahlung! Und gerade Friesen haben auch oft einen sehr guten Charakter! Das war das Allerwichtigste.“
Liebe auf den ersten Blick
Und so begann die Suche nach einem Freund für Thea. „Wir fanden Tjeerd in einem Stall in Ede“, so Melanie. „Er war damals vierzehn, also kein junger Springinsfeld mehr. Weil er vor allem vor der Kutsche ging, hatte er schon viel erlebt und war super verkehrssicher. Ein Pferd, das man nicht so schnell verrückt macht.“ Thea: „Es war Liebe auf den ersten Blick mit Tjeerd. Es war sofort offenbar, dass er ein Pferd mit einem wunderbar lieben Charakter war. Er war dem Menschen sehr zugewandt, das war das Schöne an ihm.“
Aus N.N. wurde Tjeerd
Tjeerd erblickte 1999 beim Züchter G. Roskam das Licht; er steht beim KFPS als N.N. im Buch. Er stammt von dem Hengst Anne 340 ab, und ist das zweite Fohlen der Sterstute Hiske F gewesen. Die Djurre 284-Tochter bekam insgesamt 7 Fohlen, wovon dem Sape 381-Sohn Eelco R das Sterprädikat verliehen wurde. Tochter Nyke (Wikke 404) wurde auf einer Zuchtschau in Deutschland Ster erklärt.
Stimmhilfe
Tjeerd erwies sich für Thea als das große Los. Pferd und Reiterin spielten sich auf einander ein, und Thea brachte Tjeerd bei, auf ihre Stimme zu reagieren. „Ich kann nicht antreiben, und mache manchmal unerwartete Bewegungen mit meinen Beinen. Tjeerd hat gelernt, das zu ignorieren und nur auf meinen Sitz zu achten und darauf, was ich ihm sage.“
Allergisch
Als Thea Tjeerd gerade bekommen hatte, konnte sie auch noch mit ihm traben. Im Laufe der Jahre hat sie sich erheblich verschlechtert und unternimmt nur kurze Schrittausritte mit ihm. „Mein Vater ist immer dabei“, erzählt Melanie. „Das Besondere ist, dass er eigentlich schrecklich allergisch auf Pferde reagiert hat. Aber jetzt musste und wollte er mit meiner Mutter mit. Und das Verrückte ist… inzwischen hat er gar keine Beschwerden mehr, wenn er bei Tjeerd ist! Und er ist genau so vernarrt in ihn wie meine Mutter.“
„Auf seinem Rücken fühle ich mich sicher“
Melanie: „Mein Vater ist eine Spitzen-Pflegekraft, der in Wind und Wetter meine Mutter unterstützt. Ab und an gehe ich auf meinem eigenen Pferd mit ihnen mit. Es ist wunderbar zu sehen, wie vorsichtig Tjeerd ist. Wenn Mama droht, etwa die Balance zu verlieren, steht er sofort still.“ Thea: „Ich fühle mich sicher auf seinem Rücken.“ Tjeerd ist immer cool, das Einzige, wovor er einen Moment erschrickt, sind Mountainbiker, die urplötzlich in ihren knallbunten Outfits auftauchen. Zum Glück bleibt er auch dann relativ ruhig.“
Spanischer Schritt
„Denk nicht, dass Tjeerd ein Weichei ist“, lacht Melanie. „Sobald jemand anderes auf seinem Rücken sitzt, geht er gleich mit ihm spazieren! Ich bin früher auch schon auf ihm geritten, und da machte er so seine Streiche. Er konnte enorme Bocksprünge machen. Und auch das Springen hat ihm gefallen.“ „Für Futter tut er alles“, so Thea. „Und so hat er auch einige Kunststücke gelernt, wie Spanischen Schritt zum Beispiel.“
Kuschelpferd
Tjeerd ist Theas Ein und Alles, das ganze Haus hängt voll mit Fotos von ihrem Pferd. Am liebsten ist sie jeden Tag bei ihm. Wenn es auch nicht zum Reiten ist – jeden Tag einen Ritt zu machen wäre zu anstrengend – dann ist es, um endlos mit ihm zu kuscheln.
Heilmittel
Ein Heilmittel für die Huntington-Krankheit gibt es nicht. In den USA werden viele Untersuchungen gemacht, aber bislang wurde noch nichts herausgefunden, das hilft. „Aber ich weiß, was mir hilft…“, schließt Thea. „Und das ist meine tägliche Ration ‚Tjeerd‘. Dank ihm fühle ich mich körperlich und seelisch besser.“
Foto: privat